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Pressemitteilung

Es gibt nur eine Menschenwürde – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

Gemeinsames Statement von 62 Organisationen

Es gibt nur eine Menschenwürde – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

Viele Geflüchtete erhalten zum Leben Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – und damit weniger als das neue Bürgergeld, das laut Gesetz das menschenwürdige Existenzminimumsicherstellen soll. Aber die Menschenwürde kennt nicht zweierlei Maß. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwält*innenverbände fordern gleiche Standards für alle: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.

Seit dem 1. Januar 2023 erhalten materiell bedürftige Menschen in Deutschland das sogenannte Bürgergeld. Das Bürgergeld tritt an die Stelle der bisherigen Hartz-IV-Leistungen. Geflüchtete wurden dabei allerdings nicht mitgedacht: Denn wie schon bei Hartz IV bleiben asylsuchende und geduldete Menschen auch vom Bürgergeld ausgeschlossen. Stattdes regulären Sozialrechts gilt für sie das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).  

Das Asylbewerberleistungsgesetz besteht seit 1993. Es ist ein Sonderrecht für geflüchtete Menschen. Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes unterschreitet das sozialrechtliche Existenzminimum erheblich. Die Regelsätze sind viel niedriger. Oft werden Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt, die die Menschen diskriminieren und entmündigen. Weil Sachleistungen den individuellen Bedarf nie wirklich decken können, stellen sie in der Konsequenz eine weitere drastische Leistungskürzung dar. Die Einschränkung derGesundheitsversorgung führt oft zu verschleppter, verspäteter und unzureichender Behandlung. Sanktionen führen häufig zu weiteren Kürzungen, die mitunter über viele Jahre aufrechterhalten werden. Durch die fehlende Einbindung in das reguläre Sozialsystem werden die Betroffenen zudem von den Maßnahmen der Arbeitsförderung weitgehend ausgeschlossen.

Erklärtermaßen hoffte man auf eine abschreckende Wirkung: Niedrige Geldbeträge und die Sachleistungsversorgung sollten Geflüchtete zur Ausreise bewegen. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Anwält*innenverbände sind sich seit Einführung des Gesetzes darin einig, dass das Asylbewerberleistungsgesetz wieder abgeschafft werden muss.

2012 hat das Bundesverfassungsgericht in einer wegweisenden Entscheidung dafür gesorgt, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zumindest vorübergehend annähernd dem Hartz-IV-Niveau entsprachen. Zugleich erteilte das höchste deutsche Gericht dem Ansinnen, Sozialleistungen zur Abschreckung Asylsuchender einzusetzen, eine deutliche Absage: „Die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“ (Beschluss vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10).

Trotzdem kürzte die große Koalition die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den Jahren 2014 bis 2019 in mehreren Schritten erneut und weitete den Anwendungszeitraum von 15 auf 18 Monate aus. 2022 hat das Verfassungsgerichtdie 2019 eingeführten zusätzlichen Leistungskürzungen für Alleinstehende in Sammelunterkünften als verfassungswidrig gekippt (Beschluss vom 19.10.2022 - 1BvL 3/21). Ein weiteres Verfahren ist anhängig (1 BvL 5/21).

Auch zu den Sanktionen, die das Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht, hat sich dasBundesverfassungsgericht geäußert. Aus dem Urteil zu den Hartz-IV-Sanktionen vom 5.11.2019 geht klar hervor, dass die Sanktionen des Asylbewerberleistungsgesetzes mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind.

Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt damit gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das Grundrecht auf Gleichheit, das Sozialstaatsgebot (Art. 1, 3, 20 GG), das Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), die UN-Kinderrechtskonvention und den UN-Sozialpakt.

Die Bundesregierung will das Asylbewerberleistungsgesetz laut Koalitionsvertrag von 2021 „im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ überarbeiten, doch das reicht nicht aus. Letztlich bleibt es damit beim doppelten Standard.

Unsere Forderungen

Es kann nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden. Dies erfordert insbesondere folgende Änderungen:

  1. Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und Einbeziehung Geflüchteter ins Bürgergeld bzw. die Sozialhilfe (SGB II/XII). Auf migrationspolitisch     motivierte Kürzungen und Sanktionen ist gemäß dem Urteil des BVerfG aus 2012 ausnahmslos zu verzichten.
  2. Einbeziehung aller Geflüchteten in die Sprach-, Qualifizierungs- und Arbeitsförderungsinstrumente des SGB II.
  3. Einbeziehung geflüchteter Menschen in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung (SGB V/XI). Dabei muss sichergestellt sein, dass auch Menschen ohne     Papiere jederzeit ohne Angst vor Abschiebung Zugang zum Gesundheitssystem haben. Insbesondere muss ein Anspruch auf Sprachmittlung bei     Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen verankert werden.
  4. Von Krankheit, Traumatisierung, Behinderung, Pflegebedürftigkeit Betroffene sowie schwangere, alleinerziehende und ältere Menschen und geflüchtete Kinder müssen – entsprechend ihrem Recht aus der EU-Aufnahmerichtlinie – einen Anspruch auf alle aufgrund ihrer besonderen Situation erforderlichen zusätzlichen Leistungen erhalten (insbesondere nach SGB IX, SGB VIII u.a.).
  5. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind als Geldleistungen auszugestalten.

Unterzeichnende Organisationen, 02. Januar 2023

 

Bundesebene    

Amnesty International Deutschland e.V.

Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.

Ärzte der Welt e.V.

AWO Bundesverband e.V.

Bundesverband Frauenberatungsstellen undFrauennotrufe - Frauen gegen Gewalt e.V.

Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialenZentren für Flüchtlinge und Folteropfer - BAfF e.V.

Der Paritätische Gesamtverband

Deutscher Anwaltverein e.V.

Diakonie Deutschland - Evangelisches Werk fürDiakonie und Entwicklung e.V.

Gemeinnützige Gesellschaft zur UnterstützungAsylsuchender e.V.

Handicap International e.V.

IPPNW - Internationale Ärzt*innen für dieVerhütung des Atomkriegs / Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.

Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland

KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegenMenschenhandel e.V.
Komitee für Grundrechte und Demokratie i.V.

medico international e.V.

MIA - Mütterinitiative für Alleinerziehende e.V.i.G.

PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.

Republikanischer Anwältinnen- und Anwältevereine.V.

Verein demokratischer Pharmazeutinnen undPharmazeuten e.V. (VdPP) - Pharmazie in sozialer Verantwortung

Vereinigung Demokratischer Juristinnen undJuristen (VDJ)

     

Landesebene    

Bayerischer Flüchtlingsrat

civi kune RLP

Diakonie Hessen  

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.

Flüchtlingsrat Berlin e. V.

Flüchtlingsrat Brandenburg

Flüchtlingsrat Hamburg e.V.

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen e.V.

Flüchtlingsrat RLP e.V.

Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.

Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.

Flüchtlingsrat Thüringen e.V.

Hessischer Flüchtlingsrat

Saarländischer Flüchtlingsrat e.V.

Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.

     

Stadt- u. Kommunalebene    

Aktion Grenzenlos e.V./MedizinischeFlüchtlingshilfe Nürnberg u. Fürth

Anonymer Krankenschein Bonn e.V.

Ausländerrat Dresden e.V.

Ban Ying e.V.

Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftigegeflüchtete Menschen (BNS)  

BI Bildung und Integration Hamburg Süd gGmbH

Caritasverband für die Stadt Köln e. V.

Clearingstelle für nicht krankenversicherteMenschen – Berliner Stadtmission

FIM – Frauenrecht ist Menschenrecht e.V.,Beratungs- und Informationszentrum für Migrantinnen, Frankfurt a.M.

Flüchtlingshilfe Langenfeld e.V.

Hilfe für Menschen inAbschiebehaft Hof e.V.

MedibüroBerlin - Netzwerk für das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrant*innen

MediNetz Bielefeld

MediNetzBonn e.V.

MediNetz Essen e.V.

Medinetz Karlsruhe

MediNetz Magdeburg e.V.

Medinetz Mainz e.V.

Medinetz Tübingen e.V.

Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.

Ökumenische Fachstelle Asyl/Forum Asyl LandkreisLudwigsburg

Refudocs Freiburg e.V.

Refugio Stuttgart e.V.

REFUGIO Thüringen

S.I.G.N.A.L. e. V. - Intervention imGesundheitsbereich gegen häusliche und sexualisierte Gewalt

STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative e.V.

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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