Stellungnahme

Gemeinsame Erklärung

Wir begrüßen die Absicht der Bundesregierung, mit Vorrang die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dazu ist u. a. beabsichtigt, nach den Vorschlägen der Hartz-Kommission die Vermittlung von Arbeitslosen zu verbessern und zu beschleunigen. Dies verdient Unterstützung. Soweit die Kommissionsempfehlungen jedoch darauf hinauslaufen, den Druck auf die Arbeitslosen zu erhöhen und arbeitsrechtlichen Schutz abzubauen, fordern sie zu Kritik heraus.

Arbeitsplätze entstehen nicht, indem Arbeitslose durch "neue Zumutbarkeit" zu sozialem und beruflichem Abstieg und zur Aufnahme ungeschützter Arbeit genötigt werden. Alle Erfahrungen belegen: Die Menschen wollen arbeiten, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sie müssen nicht erst durch Disziplinierung und Leistungskürzung dazu gezwungen werden. Unsere Gesellschaft leidet unter Arbeitslosigkeit, weil Arbeitsplätze fehlen. Um dies zu überwinden, ist eine Neuausrichtung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik geboten, die in gleicher Weise Arbeitsumverteilung und öffentliche Investitionen fördert und finanziert; das setzt allerdings die Abkehr von der herrschenden Sparpolitik voraus. Keinesfalls beruht die Arbeitslosigkeit darauf, dass die Menschen unwillig, bequem, unbeweglich und zu anspruchsvoll sind, oder weil arbeitsrechtlicher Schutz Neueinstellungen verhindert. Das Recht auf tarifvertragliches Entgelt und tarifliche Arbeitsbedingungen, frei zu sein von betrieblicher Willkür, nicht Sorge tragen zu müssen, jederzeit ohne Grund den Arbeitsplatz zu verlieren, starke Betriebs- und Personalräte an seiner Seite zu wissen - das ist kein Luxus, sondern gehört zu den sozialstaatlichen, demokratischen und menschenrechtlichen Grundlagen menschenwürdiger Arbeit.

Deshalb fordern wir:

* Die Maßstäbe über die Zumutbarkeit nachgewiesener Arbeit dürfen nicht nochmals zu Lasten der Arbeitslosen verschärft werden; dies schließt auch die Beweislastverteilung ein.

* Der Kündigungsschutz darf nicht verschlechtert werden, auch und gerade für ältere Menschen nicht. Er darf auch nicht durch weitere Erleichterung befristeter Einstellung Älterer umgangen werden; das würde überdies gegen europäisches Recht verstoßen (EG-Richtlinien 2000/78 und 99/70). Ältere Menschen dürfen nicht zum Spielball einer Betriebsführung des Heuerns und Feuerns werden.

* Leiharbeit gehört eingeschränkt und nicht ausgeweitet. Soweit unter öffentlicher Kontrolle, etwa durch Personalserviceagenturen der Arbeitsämter, neue Leiharbeitsverhältnisse geschaffen werden, müssen die Beschäftigten tarifvertragliche Rechte haben, die vom ersten Tag an mindestens den Bedingungen entsprechen, die im jeweiligen Einsatzbetrieb gelten. Es darf keine Zwei-Klassengesellschaft von Arbeitnehmern in ein und demselben Betrieb entstehen.

Keinesfalls darf der Mindestschutz des geltenden Rechts, wie die maximale Dauer der Arbeitnehmerüberlassung oder die Beschränkungen befristeter Anstellung aufgegeben werden.

* Selbständige, aber wirtschaftlich abhängige Arbeit findet seit langem Verbreitung und kann sinnvoll sein, solange Mindeststandards an sozialer Sicherheit, Verlässlichkeit und Bestandsschutz gelten; hier besteht unverändert Nachholbedarf, wenn die "neue Selbständigkeit" von den Menschen angenommen werden soll. Die sogenannte Ich-AG darf nicht dazu herhalten, betriebliche Arbeit aus den Rechten und Bindungen des bestehenden Arbeitsrechts herauszulösen. Wer in persönlicher Abhängigkeit weisungsgebundene Arbeit leistet, hat Anspruch auf tarifvertraglichen und arbeitsrechtlichen Schutz, gleich wie sein Beschäftigungsverhältnis benannt wird.

* Die Grenzen sogenannter geringfügiger Arbeit dürfen nicht heraufgesetzt werden, auch nicht für bestimmte Tätigkeiten, etwa im Haushalt. Auch Motive wie die Bekämpfung der Schwarzarbeit rechtfertigen es nicht, durch steuer- und sozialrechtliche Erleichterung die ohnehin schon bestehende Zone schlecht entlohnter und regelmäßig unqualifizierter Arbeit auszudehnen. Den Schaden tragen alle Beschäftigten davon, die unmittelbar Betroffenen durch niedriges Einkommen und mangelhafte berufliche Perspektive, alle anderen, indem sie der Sogwirkung allgemeinen Lohndumpings ausgesetzt werden. So entstehen keine zusätzlichen, sondern lediglich ungeschützte Arbeitsplätze.

Die Unterzeichner/Unterzeichnerinnen appellieren an die Bundesregierung, unter Beachtung der vorstehenden Vorschläge einen Reformprozess einzuleiten, der die sozialen Belange der Arbeitnehmer/innen respektiert und arbeitsrechtliche Prinzipien, wie sie über Jahrzehnte aus guten Gründen entwickelt wurden, nicht antastet.

erstellt am: 20.10.2002

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