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Mitteilung

Prolog zur Verleihung des Hans-Litten-Preises 2014

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

ich möchte Sie zu Beginn dieser Preisverleihung bitten, sich einmal folgendes vorzustellen:

Morgen beginnt vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin ein Prozess gegen mehrere unserer Kolleginnen und Kollegen. Sie sind dort wegen Aktivitäten im Zusammenhang mit ihrer anwaltlichen Tätigkeit angeklagt.
Aus Solidarität mit diesen Kolleginnen und Kollegen hat die Berliner Anwaltskammer im Anschluss an die hiesige Veranstaltung zu einem Protestmarsch aufgerufen. Zu diesem versammeln sich eine große Anzahl an Anwältinnen und Anwälten unterschiedlichsten Alters und sozialer Herkunft, viele in der Amtstracht, der Robe.
An der Spitze des Zuges marschiert, das Leittransparent mit der Aufschrift „Solidarität mit unseren Kolleginnen und Kollegen“ in den Händen, der Kammervorstand.
Der Protestzug kommt indes nicht weit, bereits an der Kreuzung Littenstraße/Grunerstraße wird er von einer Dreierreihe Polizei in voller Kampfmontur, einschließlich Gasmasken,  gestoppt. Hinter dem Polizeikordon sind Wasserwerfer aufgefahren.
Nachdem auch Verhandlungen nicht fruchten, ein Weiterkommen nicht möglich ist, klettert Herr Kollege Mollnau, der Präsident der Berliner Anwaltskammer, auf das Dach des „Lauti“ und hält von dort eine kämpferische Rede, in der die Solidarität mit den angeklagten Kolleginnen und Kollegen zum Ausdruck kommt.

Nicht vorstellbar?

Dies war indes die Situation am 23.12.2013 in Istanbul. Dort hatte die Kammer zu genau einem solchen Protestmarsch aufgerufen, ca. 2000 Kolleginnen und Kollegen nahmen teil und wurden von der Polizei am Weitergehen gehindert. Dass der Protest friedlich verlief, versteht sich bei der daran teilnehmenden Berufsgruppe von selbst.

Wer in einem Land, in dem jeder Protest sich sofort Polizeiketten gegenübersieht, sich für die Rechte der Protestierenden, der Unterdrückten, der Marginalisierten, der Opfer der wirtschaftlichen Interessen einsetzt, weiß, welchen Gefahren er sich aussetzt – Gefahren wie Verfolgung, Verhaftung, Inhaftierung,  Berufsverboten,  die wir uns in Deutschland kaum vorzustellen vermögen. Wer, wie unsere Kolleginnen und Kollegen des ÇHD,  sich in Kenntnis dieser Gefahren für Unterdrückte und Verfolgte einsetzt, verdient unsere Achtung und unseren Respekt.
Die Gefahr der Verhaftung und Inhaftierung hat sich für die Angeklagten des ÇHD-Verfahrens, aber auch für die Angeklagten der anderen Verfahren, über die wir heute schon gehört haben, realisiert.
Diesen Angeklagten gehört unsere Solidarität.

Eine Solidarität, die sich in beeindruckender Weise auch im ÇHD-Prozeß gezeigt hat. Die Aufnahme der Personalien der am Prozess Beteiligten dauerte am 24.12.2013, dem ersten Prozesstag, fast 2 Stunden. Soviel Zeit war nötig, um die fast 500 Verteidiger, die aus der ganzen Türkei angereist waren, darunter viele Vorstandsmitglieder von Anwaltskammern, zu registrieren. Dies setzte sich an den nächsten Verhandlungstagen fort. Auch dies wäre es wert, in einem Gedankenexperiment auf die Bundesrepublik übertragen zu werden.

Norman Paech hat unsere Motivation bei der Laudatio anlässlich der Verleihung des Hans-Litten-Preises an die letzte Preisträgerin, Gareth Peirce,  treffend auf den Punkt gebracht:
Wenn wir uns entscheiden, diesen Preis mit dem Namen Hans Litten zu verleihen, dann ist das eine Anerkennung für das juristisches Wirken, welches - wie seinerzeit Litten - kompromisslos dem Recht verpflichtet ist und der – ich will ergänzen: dabei immer - notwendigen Konfrontation mit den politischen Machtinteressen und ihren Institutionen nicht aus dem Wege geht. Darüber hinaus, und vielleicht noch wichtiger, vergeben wir diesen Preis als Ermutigung, die Arbeit fortzuführen, nicht aufzugeben, die Widerstände zu überwinden, die sich einem entgegenstellen. Und noch weiter möchten wir unseren Kolleginnen und Kollegen ein Beispiel und einen Anreiz geben, den politisch Verfolgten, den Opfern eines den wirtschaftlichen Interessen verbundenen Justizsystems, nicht selten dem staatlichen Terror im Mantel der Justiz, mit ihren Mitteln des Rechts zu helfen.

Die VDJ verleiht den Hans-Litten-Preis an Juristinnen und Juristen, die in besonders hohem Maße demokratisches Engagement bewiesen haben. Wie könnte ein Engagement höher sein und besser bewiesen werden als durch den Einsatz der eigenen persönlichen Freiheit.
In den besten Fällen ehrt der Preisträger den Preisgeber durch die Annahme des Preises. Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen und auch ich persönlich fühlen uns in diesem Sinne geehrt. Ich bedanke mich bei Selcuk KOZAĞAÇLI, dem Vorsitzenden des ÇHD,  und allen Kolleginnen und Koll

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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