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Mitteilung

Prolog zur Verleihung des Hans-Litten-Preises von Rechtsanwalt Joachim Kerth-Zelter, Vorsitzender der VDJ

Fotos: © ursa

Akademischer Arbeiterliedchor Frankfurt/M.

Die Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen hat seit 1988 die Tradition, alle zwei Jahre den nach dem Rechtsanwalt Hans Litten benannten Preis an mutige Juristinnen und Juristen zu vergeben, die sich durch ihr uneingeschränktes Eintreten für das Recht gerade dann hervorgetan haben, wenn Recht und Gesetz unter politischen und gesellschaftlichen Druck geraten sind. Der Preis ist von uns bewusst nach dem Rechtsanwalt Hans Litten benannt worden, um sein unerschrockenes Wirken mit den Mitteln des Rechts bekannter zu machen und auch, um seine Person zu ehren. Als wir den Preis im Jahre 1988 schufen, war seine Person und sein Kampf für das Recht in der Weimarer Zeit weithin unbekannt, jedenfalls in der damaligen Bundesrepublik Deutschland war das so. In der Littenstraße, die in der DDR 1951 diesen Namen erhielt, gibt es jetzt auch das Littenhaus, in dem die Rechtsanwaltskammer Berlin ihren Sitz hat

50 Jahre nach dem durch die Nationalsozialisten verursachten und zu verantwortenden Tod von Hans Litten wurde dieser Preis erstmalig an die Rechtsanwältin Felicia Langer vergeben, die in diesem Jahr leider verstorben ist.

In den folgenden Jahren wurde der Preis an eine Vielzahl von Juristinnen und Juristen aus dem In- und Ausland vergeben. Ich möchte hier nur kurz an unseren Preisträger aus dem Jahre 2014 erinnern. Den türkischen Rechtsanwalt Selcuk Kozagacli, der leider im Zuge der derzeit in der Türkei ausufernden Verfolgung von linken, kurdischen und allen möglichen demokratisch gesinnten Menschen, mit einem Strafverfahren überzogen wird und seit gut einem Jahr inhaftiert ist. Der gegen ihn erhobene Vorwurf besteht im Wesentlichen darin, dass er als linker Rechtsanwalt bereit war, die Verteidigung von Personen zu übernehmen, die als terrorverdächtig gelten. Er befindet sich also alleine wegen seiner anwaltlichen Berufsausübung in Haft. Dies zeigt umso mehr, wie es derzeit um die Türkei und um die Menschenrechte dort steht.

Aber es gibt auch Erfreuliches zu berichten. So ist die honduranische Richterin Tirza Flores Lanza, die von uns im Jahre 2010 wegen ihres Protestes gegen die unrechtmässige Amtsenthebung des damaligen gewählten Präsidenten Honduras und damit für das Eintreten für die uneingeschränkte Fortgeltung von Recht und Gesetz mit dem Littenpreis geehrt wurde, mittlerweile vollständig rehabilitiert worden. Der Interamerikanische Gerichtshof hatte Honduras nicht nur zu einer finanziellen Entschädigung wegen ihrer unrechtmässigen Entlassung aus dem Richteramt verpflichtet. Zugleich war Honduras auch zu ihrer Wiedereinstellung verurteilt worden. Endlich in diesem Jahr ist mit einer fast zehnjährigen Verzögerung dieses Gerichtsurteil umgesetzt worden und ihre Wiedereinstellung als Richterin erfolgt.

Mittlerweile vergeben wir den Hans-Litten-Preis seit 30 Jahren und in diesem Jahr hat sich sein Todestag zum 80. Mal gejährt.

In den letzten Jahren ist eine Entwicklung festzustellen, die zu ernster Besorgnis Anlass gibt. Dabei meine ich nicht nur die Entwicklung im Ausland, zum Beispiel die Entmachtung des Verfassungsgerichtshofs in Polen oder die Besetzung des Verfassungsgerichts mit reaktionären Richtern in den USA. Nein, gerade auch hier in der Bundesrepublik Deutschland ist eine Erosion des Rechts in einem erschreckenden Maße festzustellen, wenn zum Beispiel unser Innenminister aus parteipolitischer Erwägung vehement die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze fordert, wohl wissend, dass dies europarechtlich nicht möglich ist.

Oder die Missachtung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Gesundheitsminister, wenn dieser mit dem fadenscheinigen Argument, er habe eine andere Rechtsauffassung, seine Behörden anweist, ein höchstrichterliches Urteil zur Sterbehilfe nicht anzuwenden, weil er eine andere Rechtsauffassung habe. Hier wird in bedenklicher Weise die Axt an den Rechtsstaat gelegt.

Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen verleiht den Hans-Litten-Preis in diesem Jahr an den Anwaltlichen Notdienst zum G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Wir möchten mit dieser Preisverleihung die Verdienste des Anwaltlichen Notdienstes für die offensive Verteidigung des Versammlungsrechts hervorheben. Aber auch das konsequente Eintreten für das Recht auf eine angemessene Verteidigung gegen freiheitsentziehende Maßnahmen und das Beharren auf rechtsstaatlichen Grundsätzen gerade in einer aufgeheizten politischen Situation soll hierdurch gewürdigt werden.

Während des G20-Gipfels in Hamburg Anfang Juli 2017 herrschte ein Ausnahmezustand und die rechtsstaatlichen Regelungen wurden in den Verfahren gegen die Demonstranten vielfach nachhaltig missachtet. Es kam nicht nur zu willkürlichen polizeilichen Festnahmen und Ingewahrsamnahmen und damit verbundenen weiteren Verletzungen von Verfahrensrechten der Betroffenen, sondern auch zu völlig unverhältnismäßigen Übergriffen gegen Versammlungsteilnehmer*innen. Gleich zu Beginn des Gipfels erfolgte auch eine Diffamierung des Anwaltlichen Notdienstes. Es kam zu schweren Behinderungen und Eingriffen in anwaltliche Rechte und auch zu tätlichen Übergriffen. Der Anwaltliche Notdienst - in Kooperation mit dem Hamburger Ermittlungsdienst und der Roten Hilfe - hat gleichzeitig auch für eine Gegenöffentlichkeit gestanden.

Der Hans-Litten-Preis will solches juristisches Wirken auszeichnen, das kompromisslos dem Recht verpflichtet ist, der Konfrontation mit den politischen Machtinteressen und ihren Institutionen nicht ausweicht, über den juristischen Beruf hinausgeht und so in besonders hohem Maß durch demokratisches und rechtspolitisches Engagement gekennzeichnet ist

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: [email protected]
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