Erklärung

Dresdner Plädoyer für eine unabhängige Staatsanwaltschaft

Gegenwärtig läuft die deutsche Staatsanwaltschaft Gefahr, den Kampf gegen die Wirtschafts- und die global organisierte Kriminalität- und damit meinen wir auch immer wieder auftretende Fälle von Kriminalität durch oder mit Duldung der Politik- auf Dauer zu verlieren.
Die Strafverfolgung in der Bundesrepublik bedarf deshalb einer tiefgreifenden Umgestaltung.

Die gegenwärtige Situation ist davon geprägt, dass Kriminalität zum Teil nur verwaltet, aber in einigen wesentlichen Bereichen nicht mehr verfolgt werden kann. Derzeit wird die Arbeitskraft der Staatsanwälte mit der Bearbeitung von Bagatell- und Massendelikten zu stark gebunden.

Eine wirksame Strafverfolgung findet darüber hinaus allenfalls bei schweren Gewalttaten statt.

Eine nachhaltige Verbesserung der Situation kann nur durch die Einrichtung einer von der Politik unabhängigen Staatsanwaltschaft erreicht werden.

Die seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestehende Eingliederung der Staatsanwaltschaft in die Exekutive wird ihrer Funktion als nur der Objektivität verpflichtetes Organ der Rechtspflege und den sich in einem vereinten Europa ergebenden neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht.

Die Eingliederung widerspricht auch den Anforderungen, die der Europarat in seiner Empfehlung ( Recommandation REC (2000) 19) an das Amtsrecht der Staatsanwaltschaften stellt. Die Dienstaufsicht und Personalhoheit der Justizministerien sind mit beträchtlichem bürokratischen Aufwand und der Gefahr der Einmischung aus politischen und damit sachfremden Gründen verbunden. Die Staatsanwaltschaften müssen sich daher in Zukunft in vollem Umfang selbst verwalten.

I.

Die parlamentarische Verantwortung sollte nicht mehr den Justizministern, sondern den Generalstaatsanwälten übertragen werden. Diese müssten durch einen Wahlausschuss, zusammengesetzt aus Parlamentariern und gewählten Vertretern der Staatsanwaltschaften, für eine legislaturübergreifende Wahlperiode bestellt werden; auf diese Weise demokratisch legitimiert, könnten die Generalstaatsanwälte sämtliche Aufgaben, die bisher die Ministerialverwaltung erfüllt hat, wahrnehmen.

In den Einzelfall darf der Generalstaatsanwalt nur noch im Wege der Rechtsaufsicht eingreifen.

Des weiteren bedarf das Strafrecht einschneidender inhaltlicher Reformen.

Da die personellen Kapazitäten der Staatsanwaltschaften in Zeiten leerer Kassen nicht erhöht werden, kann die dringend gebotene Konzentration auf die anwachsende, den Bestand des Gemeinwesens gefährdende Kriminalität nur durch Entkriminalisierung von Bagatelltatbeständen erreicht werden. Der notwendige Rechtsgüterschutz könnte durch Übertragung von Sanktionsbefugnissen auf ehrenamtliche Schiedsstellen o.ä. gewährleistet werden, die Schadensersatzleistungen für die Betroffenen festsetzen und sich durch von den Tätern zu tragende Verfahrenskosten refinanzieren.

II.

Im Einzelnen erheben wir folgende mittelfristige Forderungen, die im wesentlichen durch Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, dessen landesrechtlicher Ausgestaltungsbestimmungen, vor allem aber durch ein neu zu schaffendes "Staatsanwaltsgesetz", realisiert werden müssen:

1. Abschaffung des externen Weisungsrechtes der Justizminister;

2. Ausübung der Fachaufsicht einzig durch die Behörden- und Abteilungsleiter;

3. Stärkung der individuellen Verantwortung des einzelnen Staatsanwalts durch

Beschränkung behördeninterner Weisungsrechte.

a) Die Geschäftsverteilung der Staatsanwaltschaften ist durch ein gewähltes

Gremium (Präsidium), dem der Behördenleiter angehört, zu bestimmen.

b) Im Konfliktfall mit dem Vorgesetzten kann dem Sachbearbeiter ein Verfahren

nur durch Entscheidung des Präsidiums entzogen werden.

c) Bei Gefahr im Verzug verbleibt es beim Weisungsrecht des Behörden-und

Abteilungsleiters.

d) Vor Gericht handelt jeder Staatsanwalt frei von Weisungen.

4. Schaffung echter Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen. Versetzung,

Abordnung und Funktionszuweisung durch den Generalstaatsanwalt bedürfen

ihrer Zustimmung. Im Streitfalle ist ein Wahlausschuss (siehe I.) zur

Entscheidung berufen.

5. Über die Einstellung von Staatsanwälten entscheidet - genauso wie über die

Einstellung von Richtern- ein Wahlausschuss, der aus Parlamentariern, gewählten

Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten besteht.

6. Grundsätzlich gleiche Besoldung aller Staatsanwälte; Ausnahmen nur bei

Wahrnehmung von Sonderfunktionen.

Internationale Tagung der Neuen Richtervereinigung Sachsen, der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V., der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.

Dresden, den 21.September 2003


Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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