Fehlerhafte Asylentscheidungen gehören ›in den Papierkorb‹
Anwält*innen üben massive Kritik an den Äußerungen des Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Asylrecht.
Die Interviewäußerungen des Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, Erich Künzler, vom heutigen Tag stellen ein gefährliches Zündeln am rechten Rand dar. PräsOVG Künzler verstößt aus Sicht des RAV und der VDJ gegen das Mäßigungsgebot insbesondere in Hinblick darauf, dass in Sachsen am kommenden Sonntag Landtagswahlen stattfinden. Künzler hatte behauptet, das Asylrechtssystem in Sachsen ignoriere Richterentscheidungen.
Rechtsanwältin Dr. Kati Lang, Fachanwältin für Migrationsrecht aus Dresden und Mitglied im erweiterten Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), dazu:
»Das Interview ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Die Äußerungen sind einseitig und ein Affront gegen schutzsuchende Menschen, die Vertrauen in die deutsche Gerichtsbarkeit haben. Eine Vielzahl von fehlerhaften Asylentscheiden muss durch Gerichte korrigiert werden und bewahrt somit Menschen vor der Abschiebung in Tod, Hunger oder erniedrigende Behandlung«.
Rechtsanwältin Anne Nitschke, Mitglied der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ): »Wenn Herr Künzler behauptet, die Verwaltungsgerichte würden angesichts der von der Landesdirektion Sachsen herausgegeben Abschiebestatistik ›für den Papierkorb‹ arbeiten, vergleicht er Äpfel mit Birnen. Er übersieht dabei, dass sich beispielsweise aufgrund guter Integration, aus familiären oder humanitären Gründen auch jenseits des Asylverfahrens rechtliche Bleibeperspektiven für abgelehnte Asylsuchende ergeben«.
Zu den durch PräsOVG Künzler aufgeworfenen Punkten ist festzuhalten:
1. Er verkennt die Umstände von Flucht: Menschen werden Papiere häufig durch Schleuser abgenommen, Dokumente gehen oft auf der gefährlichen Flucht über das Meer verloren. Papiere werden aus Angst um zurückgebliebene Familienangehörige vernichtet. Und auch die Furcht vor Aufgriff durch Verfolgungsbehörden des Herkunftsstaats, denen kritische Dokumente gerade nicht in die Hände gelangen sollten, ist gegeben.
2. Falsch ist, dass ohne vorgelegte Identitätsdokumente nicht abgeschoben werde. Vielmehr sind die deutschen Behörden in Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten – bspw. auch mit Afghanistan – in der Lage, sogenannte Passersatzpapiere zu erlangen, mit denen die Personen dann abgeschoben werden.
3. Schlussendlich stehen die Aussichten für einen erfolgreichen weiteren Asylantrag (Folgeantrag) unter besonders hohen rechtlichen Hürden. Es können auf individueller Ebene zu einem späteren Zeitpunkt Tatsachen bekannt werden oder auch sich die Zustände im Herkunftsland so zuspitzen, dass nunmehr eine Schutzzuerkennung notwendig ist. Beispielsweise kann das für einen aus einem islamischen Land stammenden Asylsuchenden gelten, der in der Bundesrepublik den Zugang zum christlichen Glauben gewinnt und somit aufgrund seiner Konversion nicht mehr in sein Herkunftsland zurückkehren kann.
Das Recht auf Asyl, der Flüchtlingsschutz und der Schutz von Menschen, denen erniedrigende Behandlung droht, sind eine zivilisatorische Errungenschaft. Immer weiteren Angriffen auf diese Grundwerte und der permanenten Aushöhlung dieser Schutzrechte treten wir entschieden entgegen.
Die Äußerungen von Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, Erich Künzler, sind zu hören unter: MDR Mediathek, Radio vom 30.08.2019, 8.38 Uhr: »Frust bei Sachsens Verwaltungsrichtern«,
www.mdr.de/mediathek/radio/mdr-aktuell/Richter-frustiert-wegen-Umsetzung-von-Asylentscheidungen-audio-100_zc-124d573e_zs-b8694c8c.html