Mitteilung

Tödlicher Brandanschlag in Solingen war vielleicht nicht die erste Brandstiftung des Täters – Polizei ermittelte nicht

Zweiter Teil der Prozessbeobachtung von Rechtsanwalt Joachim Kerth-Zelter, Solingen

Der erste Teil der Prozessbeobachtung findet sich hier

Vor dem Landgericht Wuppertal wird seit Anfang des Jahres das Verfahren gegen den Beschuldigten wegen des Brandanschlags von März 2024 geführt. Bei dem Anschlag sind vier Mitglieder einer türkisch-bulgarischen Familie – darunter zwei Kleinkinder – zu Tode gekommen und mehrere Personen teils schwer verletzt worden. In diesem Verfahren gibt es regelmäßig Überraschungen.

Zwar hat der Angeklagte seine Anwälte erklären lassen, wie er den Brand in dem Wohnhaus gelegt hat. Er bekannte sich auch vollständig zu den weiteren ihm in der Anklageschrift vorgeworfenen Taten einschließlich dem Angriff mit einer Machete gegen seinen Bekannten. Das Motiv für den Brandanschlag blieb er aber weitestgehend schuldig. Er bestritt, dass er in irgendeiner Weise aus rassistischen Motiven gehandelt habe. Bisher behauptet er, dass er das Haus in Solingen angezündet habe, weil er Stress mit der Vermieterin gehabt habe. Das wirft aber die Frage auf, warum er bereits 2022 versuchte, dasselbe Haus sowie ein anderes Haus in Solingen anzuzünden.

Zunächst war von Polizei und Staatsanwaltschaft erklärt worden, dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass der Angeklagte in rechtsradikalen Kreisen verkehrt oder sich im Internet radikalisiert hätte. Deshalb wurde auch in der Presse mitgeteilt, ein rassistischer Hintergrund der Tat sei nicht anzunehmen. Das hat sich im Laufe des Prozesses gerade aufgrund der Initiative der Nebenklagevertreterin Rechtsanwältin Basay-Yildiz deutlich geändert. War im Prozess zunächst bekannt geworden, dass es auf einer vom Angeklagten mitgenutzten Festplatte zumindest 166 eindeutig rechtsextreme Bilder gegeben hatte, die gelöscht worden waren und von der Forensik wiederhergestellt werden konnten, so ist deren Zahl mittlerweile auf mehr als 200 angewachsen. Auch ist eine ganze Reihe von rechtsextremer Literatur gefunden worden, wobei bisher noch nicht geklärt ist, ob diese Werke dem Angeklagten selbst, seiner Lebensgefährtin oder aber seinem Vater zuzuordnen sind. Erschreckend ist aber, dass all dies seitens der Polizei nicht zum Anlass genommen wurde, einen eventuellen rassistischen Hintergrund der Tat zu ermitteln. Offensichtlich wollte man diese Zusammenhänge möglichst ausblenden.

Damit aber nicht genug! Wie sich weiter im Verlaufe des Prozesses herausstellte, hat es im Jahr 2022 in einem Haus in der Wuppertaler Normannenstraße, in dem die Lebensgefährtin des Angeklagten wohnte und wo sich der Angeklagte häufig aufhielt, ebenfalls einen Brand gegeben, nachdem der Angeklagte dort mit einem Bewohner, der aus Marokko stammt, in Streit geraten war. Auch hier mussten Personen über eine Drehleiter der Feuerwehr gerettet werden. Auch in diesem Haus wohnten überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund, was aber bisher offensichtlich kein Anlass dafür war, die Brandursache genau zu ermitteln. Vielmehr wurde das Strafverfahren bereits kurz nach der Tat eingestellt.

Es ist kaum zu verstehen, dass seinerzeit keinerlei Zeugen zu Hintergründen der Tat vernommen wurden und kein Brandgutachten erstellt wurde, weil die Polizei und die Feuerwehr schnell einen technischen Defekt als Brandursache vermuteten. Erst jetzt wurde der Mitbewohner, mit dem der Angeklagte seinerzeit in Streit geraten worden war, durch das Gericht vernommen und es soll erst jetzt ein Brandgutachteneingeholt werden, um zu klären, ob ein ähnlicher Tathergang wie in den bereits bekannten Fällen der Brandstiftung durch den Angeklagten festgestellt werden kann. Ob das nach mehr als drei Jahren noch gelingen wird, ist fraglich. Bitter ist es, dass die Tat aus dem Jahre 2024 mit ihren schrecklichen Folgen gegebenenfalls hätte verhindert werden können, wenn der jetzige Angeklagte früher als Täter von Brandstiftungen ermittelt worden wäre.

Der Angeklagte muss mit einer langen Haftstrafe wegen mehrfachen Totschlags, versuchten Totschlags, Körperverletzung und Brandstiftung rechnen. Vielleicht sieht das Gericht aber auch hinreichenden Anlass, hier von Mord zu sprechen, was eine lebenslange Haft zur Folge hätte. Genau dafür ist es erforderlich zu klären, ob der Angeklagte möglicherweise aus rassistischen Motiven und damit „aus niederen Beweggründen“ gehandelt hat, was dann zur Anwendung des Mordparagrafen führen würde.

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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