Pressemitteilung

Prozessbeobachtung zum DHKP-C Prozess vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf

Von dem Prozess berichtet unser Ko-Vorsitzender Rechtsanwalt Joachim Kerth-Zelter (Solingen)

Seit dem 14.Juni 2023 findet vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf der Prozess gegen Özgül Emre, Serkan Küpeli und Ihsan Cibelik statt. Ihnen wird vorgeworfen, das so genannte Deutschlandkomitee der kommunistischen DHKP-C gebildet zu haben. Verfolgt werden sie aufgrund von § 129 b StGB, der die Unterstützung einer terroristischen ausländischen Organisation unter Strafe stellt.

Wie andere Verfahren krankt auch dieses bereits daran, dass der Begriff der „Terroristischen Vereinigung“ im Gesetz nicht definiert ist. Die Einstufung als Terrororganisation einerseits oder aber als Befreiungsbewegung andererseits ist vielmehr politisch bestimmt. In den Verfahren gegen angebliche Unterstützer und Mitglieder der DHKP-C stützt sich die Einordnung im Wesentlichen auf Einschätzungen der türkischen Behörden und die darauf basierende Aufnahme der Organisation in die Terrorliste der EU. Dabei wird - wie gerade wieder im Zusammenhang mit der Aufnahme von Finnland und Schweden in die Nato deutlich geworden ist – weitgehend auf die Befindlichkeiten der türkischen Regierung Rücksicht genommen.

Den Angeklagten werden nicht Terrorakte oder eigene strafbare Handlungen vorgeworfen. Sie werden vielmehr für Tätigkeiten wie die Organisation von Musikveranstaltungen und Informationstagungen zur Rechenschaft gezogen, weil diese eine Unterstützung der als Terrororganisation eingestuften DHKP-C darstellen sollen.

Alle Angeklagten befinden sich seit nahezu 18 Monaten in Haft. Der Angeklagte Küpeli wurde kurz nach der Geburt seiner Tochter inhaftiert. Der Angeklagte Cibelik leidet, wie erst mit einer fast 16monatigen Verspätung ärztlich festgestellt wurde, an Prostatakrebs, weshalb ihn die Haft besonders belastet.

Wie in vielen solcher Verfahren gibt es Zweifel, ob die Verfahren nach rechtsstaatlichen Kriterien geführt werden kann.

  • Zunächst ist die nach dem 11. September 2001 mit § 129 b StGB eingeführte Strafbarkeit von Unterstützungshandlungen für ausländische terroristische Vereinigungen schon wegen der Unschärfe des Begriffs der Terrororganisation erheblichen rechtlichen Zweifeln ausgesetzt, denn nach dem in Artikel 103 Grundgesetz (GG) festgehaltenen Bestimmtheitsgrundsatz kann man nur für eine Tat bestraft werden, deren Strafbarkeit zuvor im Gesetz festgehalten ist.
  • Wie in vielen anderen Verfahren nach § 129 b StGB stützt sich die Anklage unter anderem auf Erkenntnisse der ausländischen Behörden – hier der Türkei –, was besonders dann problematisch ist, wenn die Staaten selbst nicht rechtsstaatlich sind.
  • Vielfach ist, wie im vorliegenden Prozess, die Anklage auf die Aussage eines so genannten V-Mannes gestützt. Dies ist hier deshalb besonders zweifelhaft, weil ihm selbst Urkundenfälschung vorgeworfen wird, und weil unklar ist, seit wann er für die deutschen Behörden eingesetzt war und ob er nicht sogar zur Aufklärung des Umfelds der DHKP-C nach Deutschland kam.
  • Schließlich wird die Einschätzung, dass es sich bei der DHKP-C um eine terroristische Organisation handelt, im Wesentlichen auf digitale Daten gestützt, die schon vor Jahren insbesondere in den Niederlanden beschlagnahmt wurden. Hinsichtlich dieser Daten ist die digitale Integrität nicht gesichert, denn sie wurden im Laufe der Zeit mehrfach in anderen Kontexten zusammengestellt.
  • Wenn man zudem die weitgehende Demontage des Rechtsstaats in der Türkei insbesondere seit der Niederschlagung des Putschversuchs vom Juli 2016 berücksichtig, müssen sich die deutschen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte die Frage stellen, ob die Türkei ein geeignetes Schutzobjekt des § 129 b StGB sein kann. Auch müsste im Lichte dieser Entwicklung die Verfolgungsermächtigung des Justizministeriums überprüft und revidiert werden.
  • Der europäische Dachverband der VDJ, die Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM) beobachtet seit über 10 Jahren gemeinsam mit vielen insbesondere europäischen Anwaltsorganisationen, Gerichtsverfahren mit politischem Hintergrund in der Türkei, insbesondere Massenprozesse gegen Anwält*innen. Häufig lautet der Vorwurf „Mitgliedschaft oder Leitung einer terroristischen Vereinigung, entweder DHKP-C oder PKK. Die internationalen Beobachter*innen kamen dabei wiederholt zu dem Ergebnis, dass die Prozesse nicht den Grundsätzen fairer Gerichtsverfahren gerecht werden. Leider erinnern die in diesem DHKP-C festgestellten Mängel an die Verfahren in der Türkei. https://eldh.eu/2023/11/joint-statement-widespread-mistreatment-of-lawyers-in-turkey/

Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) fordert daher:

  • Die sofortige Freilassung der angeklagten Özgül Emre, Serkan Küpeli und Ihsan Cibelik.
  • Die sofortige Einstellung dieses DHKP-C-Verfahrens und aller anderen entsprechenden Verfahren.
  • Die Abschaffung des § 129 b StGB und die Rücknahme der Verfolgungsermächtigung durch das Justizministerium.
  • Die Streichung der oppositionellen türkischen Organisationen von der Terrorliste der EU und der Bundesrepublik Deutschland.
Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: bundessekretaer@vdj.de
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