Pressemitteilung

Bürger:innen als potenzielle Gefährder - Das „Sicherheitspaket“ der Ampel vergrößert die Unsicherheit

 Die Regierungskoalition hat am 9. September 2024 ein „Sicherheitspaket“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Der Gesetzesentwurf soll einer „Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems“ dienen. Dahinter versteckt sich jedoch eine fundamentale Verschiebung im Verhältnis von Staat und Bürger und ein weiterer Angriff auf das Recht auf Asyl. Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) blickt mit großer Sorge auf die politischen Reaktionen nach dem Attentat von Solingen. Anlasslose Personenkontrollen, eine Ausweitung der Überwachung im Internet und eine Verschärfung der Sanktionen im Asylbewerberleistungsgesetz führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu einer weiteren Entgrenzung von staatlichen Eingriffen.

Das „Sicherheitspaket“ enthält in großem Umfang neue Befugnisse für anlasslose Kontrollen. Zukünftig sollen auf vielgenutzten Straßen und Plätzen, in Einkaufszentren, bei Volksfesten, in allen öffentlichen Zügen und Bahnhöfen und an vielen weiteren Orten anlasslose Kontrollen ermöglicht werden. Bei solchen Kontrollen überprüft die Polizei die Identität ohne konkreten Verdacht. Die Betroffenen werden anlasslos Adressaten einer polizeilichen Maßnahmen. Solche Kontrollen gehen nicht nur mit der Gefahr eines verfassungs- und menschenrechtswidrigen Racial Profiling einher. Die anlasslossen Kontrollen verschieben zugleich das Verhältnis von Staat und Bürger:innen. Die Möglichkeit, sich frei von staatlicher Kontrolle zu bewegen, wird weiter reduziert. Der Grundsatz, dass Eingriffe in die Freiheitsrechte nur aus gutem Grund möglich sind, wird für den öffentlichen Raum de facto aufgehoben. Wer auf die Straße geht, macht sich bereits verdächtig. Noch vor wenigen Jahren wären Übergriffe des Staates in diesem Ausmaß undenkbar gewesen, weil die Menschen einen Raum der Privatheit und Unberührtheit von Staat und Überwachung für sich reklamiert hätten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind Ausdruck und Verschärfung einer Grenzüberschreitung im Verhältnis des Staates zu seinen Bürger:innen. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen bedeuten für zahlreiche Menschen mehr Unsicherheit in ihrem Alltag.

Das Gesetzespaket enthält auch einige Aspekte, die in der Regierungskoalition zuvor umstritten waren. Die FDP sperrte sich beispielsweise noch vor einigen Monaten gegen die Ausweitung der Überwachung im Internet. Nach dem jetzigen Entwurf soll die Polizei mehr Möglichkeiten für eine Fahndung mit biometrischen Daten im Internet erhalten. Auch Big-Data-Anwendungen sollen erlaubt werden. In der Anhörung im Bundestag haben zahlreiche Expert:innen das Gesetz als verfassungswidrig und unverhältnismäßig bewertet, darunter auch die Bundesdatenschutzbeauftragte. Durch die neuen Befugnisse wäre die Anonymität im Internet Geschichte.

Neben neuen Überwachungsmaßnahmen enthält das Gesetz insbesondere Angriffe auf Menschen mit Fluchtbiographien. Für Asylsuchende, die nach der Dublin-Verordnung in einem anderen Staat registriert wurden, plant die Ampel einen vollständigen Entzug von Sozialleistungen. Dieser Leistungsentzug dient der Abschreckung und steht damit im Konflikt zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Artikel 1 des Grundgesetzes und das Sozialstaatsgebot verbieten es, dass die Menschenwürde relativiert wird. Auch die Menschenwürde von Geflüchteten ist ohne Einschränkung zu wahren. Die Regierungskoalition hatte im Koalitionsvertrag festgelegt, das Asylbewerberleistungsgesetz den verfassungsrechtlichen Vorgaben anzupassen. Diesem Ziel laufen migrationspolitisch motivierte Schnellschüsse direkt zuwider.

Mehr Sicherheit heißt in einem Rechtsstaat geordnete Verfahren und Grundrechtsbindung. Eingriffe der Hoheitsträger in die Grundrechte müssen die Ausnahme und ultima ratio bleiben. Die VDJ fordert, das Gesetzespaket zurückzunehmen. Die Pläne der Regierung drohen gleichermaßen die Grundrechte von Geflüchteten wie von deutschen Staatsangehörigen zu verletzen.

Bei Presserückfragen wenden Sie sich an: Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär der VDJ, Tel.: 06971163438, E-Mail: [email protected]
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