VDJ Info 10/2022 vom 14.12.2022

VDJ Info 10/2022 vom 14.12.2022

Preisverleihung des Hans Litten-Preises 2022 an Simonetta Crisci

Am 24.09.2022 ist der Hans Litten-Preis der VDJ an die italienische Rechtsanwältin Simonetta Crisci verliehen worden. Die Preisverleihung fand im Frankfurter Literaturhaus im Rahmen von 50-Jahren VDJ mit über hundert Teilnehmenden statt, darunter eine große Delegation von italienischen Kolleg*innen, die die Preisträgerin nach Frankfurt begleitete. Die Preisverleihung wurde von einem Konzert des Akademischen Arbeiterliederchores gerahmt, der Lieder aus seinem Programm "Avantgarde und Antifaschismus" beitrug. Auf unserer Seite finden sich die Laudatio auf Simonetta Crisci von Cesare Antetomaso, die Rede der Preisträgerin sowie einleitende Worte zur Preisträgerin und zum Litten-Preis von Joachim Kerth-Zelter.

Podiumsdiskussion zur Buchvorstellung von "Streit ums Recht" (VSA Verlag)

Auf der Feier am 24.09.2022 im Literaturhaus Frankfurt ist auch das Buch "Streit ums Recht - Rechtspolitische Kämpfe in 50 Jahren VDJ" im Rahmen einer Podiumsdiskussion vorgestellt worden. Das Buch erschien im August 2022 im VSA Verlag. Die Podiumsdiskussion mit den Autor*innen Konstanze Plett, Rolf Gössner, Peer Stolle und Henner Wolter wurde von Britta Rabe vom Grundrechtekomitee moderiert. Eingeleitet wurde die Diskussion mit einem Beitrag des Verlagsleiters des VSA Verlags, Gerd Siebecke. In dem Buch geht es um "rechtspolitische Kämpfe in 50 Jahren VDJ", die an aktuellen Themen aufgegriffen werden, und um die Frage der "Wiedergewinnung der Demokratie". Vom politischen Streik, der Entwicklung des Arbeitsrechts, der Frage der Zukunft des Sozialstaates und der Demokratisierung durch Vergesellschaftung geht es über Themen der gesellschaftlichen Gleichstellung, Teilhabe und Diskriminierung bis zum Bereich der Strafrechtsverschärfung, des Abbaus von Rechtsstaatlichkeit und der Ausweitung wenig kontrollierter Staatsgewalt in den Geheimdiensten. Weitere Informationen zum Buch und zur Podiumsdiskussion finden sich hier.

Bericht von der ersten Tagung des AK Sozialrecht in der VDJ zum Thema: "Systemwechsel - Von Hartz-IV zu Bürgergeld und Kindergrundsicherung"

Zusammen mit dem Vorstand der IG Metall und der University of Labour hat der Arbeitskreis Sozialrecht in der VDJ am 08.12.2022 seine erste Tagung im House of Labour in Frankfurt veranstaltet. Inhaltlich ging es um das neue Bürgergeld und um Vorschläge für eine zukünftige Kindergrundsicherung. Die interessanten inhaltlichen Beiträgen von Rechtsanwalt Jörg Schindler zum Bürgergeld und Alexander Nöhring, Geschäftsführer des Zukunftsforum Familie e.V., zur Familiengrundsicherung wurden von den teilnehmenden Rechtsanwält*innen und Rechtssekretär*innen vor dem Hintergrund ihrer beruflichen Praxis eingehend diskutiert, woraus sich eine detaillierte Analyse und spannende Diskussion ergab. Für das kommende Jahr ist eine weitere Tagung und Fachanwaltsfortbildung in ähnlichem Format geplant, Themenvorschläge können noch eingebracht werden. Der Arbeitskreis ist offen für Kolleg*innen, die an sozialrechtlichem Austausch interessiert sind. Bei Interesse einfach per Mail.

Petition zur Aufklärung eines möglichen Chemiewaffeneinsatzes durch die Türkei

Hinsichtlich eines möglichen Einsatzes von Chemiewaffen in der Region Kurdistan weisen wir auf die folgende Petition hin: "Zahlreiche Erkenntnisse, Erklärungen und Aufnahmen, die auf Nachrichtenkanälen und in den sozialen Medien veröffentlicht wurden, weisen darauf hin, dass bei Militäroperationen der türkischen Regierung in der Region Kurdistan seit dem Jahr 2021 mehrfach Chemiewaffeneinsätze erfolgten. Gemäß der Chemiewaffenkonvention (CWK) ist den Vertragsstaaten der Konvention der Einsatz chemischer Waffen strengstens untersagt. Das Durchführungsorgan der Chemiewaffenkonvention ist die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Wir fordern die Mitgliedsstaaten der OPCW auf, eine Untersuchung zu beantragen, um den Weg für eine unabhängige Untersuchung durch die OPCW zu ebnen." Die Petition kann hier gezeichnet werden.

Rechtsschwerpunkt im Studiengang Sozialökonomik an der Uni Hamburg erhalten!

Mit einer Petition fordert eine breite studentische Initiative an der Universität Hamburg den Erhalt des Rechtsschwerpunkts im Studiengang Sozialökonomik, insbesondere mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht, sowie die Besetzung der entsprechenden Professur. Eine Neubesetzung sei nicht gewährleistet, habe die Uni mitgeteilt. Der Fachbereich Sozialökonomie ist die Nachfolgeinstitution der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP), die 1948 als Akademie für Gemeinwirtschaft von Gewerkschaften, Genossenschaften und SPD gegründet wurde. In der Tradition der HWP fordern die Studierenden, dass Rechtswissenschaft weiterhin aus der Perspektive von lohnabhängig Beschäftigten betrachtet werden muss. Sie verweisen dabei auf das Gesetz zur Integration der HWP in die Uni Hamburg, in dem es heißt, „dass im Rahmen der Fortführung bestehender und bei Entwicklung neuer Studienangebote das Profil der bisherigen HWP in der Lehre und bei der Zusammensetzung der Studierenden berücksichtigt wird" (§3 Absatz 3). Die VDJ unterstützt das Anliegen der Studierenden. Eine Petition zum Erhalt kann hier gezeichnet werden.

Offener Brief der VDJ an die Bundesminister Habeck, Heil und Buschmann zu den Verhandlungen über das EU-Lieferkettengesetz

Am 30.11.2022 hat die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen einen offenen Brief an drei Bundesminister gesendet und sie dazu aufgefordert, bei den Verhandlungen über ein EU-Lieferkettengesetz auf den im Koalitionsvertrag vorgesehenen, hohen Menschenrechtsstandard zu bestehen. Anlass waren Berichte darüber, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen für eine Haftungsbeschränkung für Unternehmen durch Aufnahme einer Safe-Habor-Klausel werben soll. Eine weitere Beschränkung der Haftung von europäischen Unternehmen steht jedoch dem Ziel eines effektiven Schutzes von Menschenrechten innerhalb der Lieferkette gerade entgegen. Deshalb muss eine weitere Verwässerung des Entwurfs verhindert werden. Die Offene Brief kann hier nachgelesen werden.

Stellungnahme der VDJ zur Beobachtung des ÇHD-Prozesses in Silivri, Türkei durch internationale Jurist*innen

Mit Pressemitteilung vom 12.12.2022 hat die VDJ eine Stellungnahme zur Prozessbeobachtung des ÇHD-Prozesses in Silivri abgegeben, in der sie auf die Einhaltung der internationalen Schutzrechte für Angeklagte und die freie anwaltliche Arbeit in der Türkei dringt. Hintergrund ist ein beinahe zehnjähriger Prozess gegen Berufskolleg*innen, die wegen der Ausübung ihres Berufs verfolgt, angeklagt und inhaftiert werden, darunter der Preisträger des Hans Litten-Preises 2014, Selçuk Kozağaçlı. Die VDJ solidarisiert sich mit den Kolleg*innen und fordert faire Verfahren, die den Maßstäben des internationalen Rechts entsprechen. Die vollständige Erklärung findet sich hier.

Rechtsprechungsüberblick

BVerfG billigt Namensschilder für Polizist*innen. Mit Beschluss vom 04. November 2022 (Az. 2 BvR 2202/19) hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer Polizeivollzugsbediensteten nicht zur Entscheidung angenommen, die sich dagegen richtete, ein Namensschild an ihrer Dienstkleidung tragen zu müssen. Die Beamtin habe zur Verletzung ihrer Grundrechte nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, eine Rechtsverletzung sei auf dieser Grundlage nicht zu erkennen. Die Pressemitteilung des Gerichts findet sich hier.

Die Humanistische Union hat eine Pressemitteilung zu der Entscheidung herausgegeben, in der sie eine vereinheitliche Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen im Einsatz fordert. Immer noch kennen sechs Bundesländer überhaupt keine Pflicht zur Kennzeichnung.

Lesenswertes für die freien Tage

Zur Moralisierung der Politik und den Zwillingen Neoliberalismus und Autoritarismus schreibt Mario Neumann in einem interessanten Beitrag für Medico International. Seine These lautet, dass die Moralisierung der Politik mit dem Verschwinden einer fundamentalen Opposition einhergeht. Das bezieht er auf die Maßnahmen der Corona-Politik, die nahtlos in eine Kriegsmobilisierung übergehen. "Die moralische Rigidität, mit der die Mehrheitsgesellschaft bereits zur Befolgung der Corona-Maßnahmen aufrief und jeden Zweifel an ihrem autoritären Geist als unsolidarisch brandmarkte, ist dabei noch gut in Erinnerung und schuf vermeintliche Sicherheit in unsicheren Zeiten." Die geforderte Solidarität bestand aber laut Neumann vor allem in einem Verzicht auf ernsthafte Opposition. "Die moralische Rigidität und Überheblichkeit oder kurz: die unübersehbare Moralisierung der Politik, die wir seit Jahren erleben, leistet tatsächlich einem neuen Autoritarismus Vorschub und nicht dem Kampf für Freiheit, Feminismus und Menschenrechte." Er schließt im Anschluss an Max Horkheimer: "Wer vom Neoliberalismus nicht reden will, möge auch vom Autoritarismus schweigen." Der lesenswerte Beitrag findet sich hier.

Warum man kulturelle Kämpfe nicht gewinnen kann und warum Identitätspolitik keine Opposition zu, sondern Teil von neoliberaler Politik ist, beschreibt Astrid Zimmermann in einem ebenfalls lesenswerten Beitrag im Jacobin Magazin. "Das Problem mit der Identitätspolitik ist, dass sie vorgab, die Linke zu erneuern, tatsächlich aber den Neoliberalismus erneuerte. Als in einer Zeit der Wachstumskrisen die alten Verteilungskämpfe zurückkehrten, die Zweifel an dem pseudo-progressiven Aufstiegsversprechen hätten wecken können, konnte der Neoliberalismus seine Legitimität verteidigen." Der Fokus auf Kultur und die Abwehr einer klassenpolitischen Analyse wird zum Einfallstor für eine pseudo-oppositionellen Rechte: "Die Rechte stößt gezielt immer wieder hyperventilierende Kulturkämpfe um solche Fragen an, um ein Trugbild heraufzubeschwören, wonach nur sie für die Belange der »normalen Leute« einstünde – und die Linke tappt jedes Mal wieder in die Falle und verschleißt sich in Debatten, die nur die Fremddarstellung ihrer politischen Gegner bestätigen. Diese kulturell und identitär übersättigten Auseinandersetzungen sind aber nicht die Ursache für die Abgeschlagenheit der Linken und die Neuformierung der Rechten. Sie sind das Symptom einer Linken, die verloren hat." Der vollständige Beitrag findet sich hier.

Weitere Termine

Am 24.01.2023 findet der Tag der bedrohten Anwältin/des bedrohten Anwalts in mehreren Städten, Ländern und Kontinenten auf der ganzen Welt statt. Ziel dieses Tages ist es, die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft und der Behörden auf die Situation der Anwält*innen in einem bestimmten Land zu lenken, um das Bewusstsein für die Bedrohungen zu schärfen, denen sie bei der Ausübung ihres Berufs ausgesetzt sind. 2022 konzentriert sich der Tag der bedrohten Anwältin/des bedrohten Anwalts auf Afghanistan, wo die Situation besonders dramatisch ist. In Deutschland wird die zentrale Kundgebung am 24.01.2023 in Berlin von der Rechtsanwaltskammer Berlin, dem RAV, dem Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen und der VDJ organisiert. Einzelheiten werden noch bekannt gegeben.

Am 18.03.2023 findet in Frankfurt die Frühjahrstagung des Arbeitskreis Arbeitsrecht statt. Der Termin kann bereits vorgemerkt werden. Weitere Informationen werden noch bekannt gegeben.


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